Wissenschaftliche Grundlagen des Plan C Konfliktnavigators®

Selbstregulation ist ein Überbegriff für alle psychischen Prozesse, die bei der Auseinandersetzung mit einer schwierigen Situation – wie einem Konflikt – ablaufen, um das emotionale Gleichgewicht wiederherzustellen und situationsangemessenes Handeln…

Selbstregulation ist ein Überbegriff für alle psychischen Prozesse, die bei der Auseinandersetzung mit einer schwierigen Situation – wie einem Konflikt – ablaufen, um das emotionale Gleichgewicht wiederherzustellen und situationsangemessenes Handeln zu ermöglichen. Eine gelungene Selbstregulation führt zu einer Klärung und Erweiterung des eigenen Handlungsspielraums sowie zu einer Stärkung der Selbstwirksamkeit.

Fast immer ist die Selbstregulation der erste sinnvolle Schritt im Prozess des Konfliktmanagements. Konkret geht es darum, dass Sie sich als Konfliktbetroffene oder -betroffener wieder in einen guten Zustand versetzen. Einen Zustand, aus dem heraus Sie anschließend die weiteren Schritte planen können. Die Wege dahin führt über Reflexion der eigenen Ziele, Würdigung der Bedürfnisse, Emotionsregulation und Perspektivwechsel.

Gelingt dies, dann werden auch die anderen Lösungsfelder positiv beeinflusst. Kommunikation wird leichter, das kreative Denken wird wieder möglich, es eröffnen sich neue Lösungsräume.

Wissenschaftliche Grundlagen

Wie lässt sich der Nutzen des Konfliktnavigators wissenschaftlich erklären?

Folgende wissenschaftlich fundierte Theorien stützen die praktische Wirksamkeit des Plan C Konfliktnavigators®. Sie liefern Aufschluss darüber, wieso eine gelungene Selbstregulation einen wirkungsvollen Ansatzpunkt im Konfliktmanagement darstellt. Die wichtigsten Kernaussagen der verschiedenen Theorien und ihren Bezug zum Plan C Konfliktnavigator® finden Sie in diesem Blogbeitrag.

Das Kohärenzgefühl nach Antonovsky

Aaron Antonovsky war ein Soziologe, der das Konzept der Salutogenese entwickelte. Er stellte der Sichtweise der Pathogenese, also der Krankheitsentstehung, die Salutogenese entgegen, welche sich mit der Gesunderhaltung des Menschen beschäftigt. Wichtiger Bestandteil dieses Salutogenese-Ansatzes stellt das Kohärenzgefühl dar. Das Kohärenzgefühl setzt sich aus den drei Komponenten Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit zusammen.

Wenn wir eine schwierige Situation wie einen Konflikt als verstehbar, handhabbar und sinnhaft empfinden, also das Kohärenzgefühl vorherrschend ist, können wir Probleme besser lösen. Wir fühlen uns gut und handlungsfähig, wenn diese drei Komponenten des Kohärenzgefühls erfüllt sind.

Anwendung auf den Plan C Konfliktnavigator®

Der Konfliktnavigator bietet eine Strukturierungsmöglichkeit mit vier verschiedenen Lösungsfeldern. Fragen und Checklisten unterstützen den Prozess der systematischen Reflexion. Durch das Einnehmen der Beobachterposition wird es möglich, mit Abstand auf den Konflikt zu schauen und Zusammenhänge besser erkennen und verstehen zu können. Hierzu gehören etwa Verletzungen von Bedürfnissen oder Grenzen, welche zu Stressreaktionen, Anspannung und Druck führen können.

Durch das Prinzip der kleinen Schritte wird dort angesetzt, wo die Person selbst tätig werden kann und somit wird der Umgang mit dem Konflikt handhabbarer. Die empfundene Sinnhaftigkeit wird durch eine Zielgestaltung für eine attraktive Zukunft und nicht gegen die andere Partei gestärkt.

Die Selbstwirksamkeitserwartung nach Bandura

Der kürzlich im Alter von 96 Jahren verstorbene Albert Bandura war ein kanadischer Psychologe, der zahlreiche richtungsweisende Theorien und Konzepte wie die Social Learning Theory entwickelt hat.  Auch das für den Konfliktnavigator zentrale Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung (self-efficacy), wurde von Badura entwickelt.

Unter der Selbstwirksamkeitserwartung versteht man die Erwartung einer Person, Handlungen, die zur erfolgreichen Bewältigung einer Situation erforderlich sind, aufgrund der eigenen Kompetenzen selbst ausführen zu können.

Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung empfinden sich als ursächlich für ihre Handlungen und somit auch als verantwortlich für ihre Erfolge. Die Selbstwirksamkeitserwartung hängt eng mit dem Kontrollgefühl zusammen: Da Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung davon überzeugt sind, Einfluss auf ihre Umwelt und die Dinge nehmen zu können, empfinden sie ein Gefühl der Kontrollierbarkeit.

Die Selbstwirksamkeitserwartung eines Menschen hängt von verschiedenen Faktoren ab: Eigene Erfolgsergebnisse sowie Erfolge von Personen, die wir als uns ähnlich empfinden, können die Selbstwirksamkeitserwartung stärken. Wenn andere an uns glauben und uns Mut machen, fällt es uns leichter, uns zu motivieren und erfolgreich zu sein. Darüber hinaus spielt auch die körperliche Reaktion in herausfordernde Situationen eine große Rolle: Wenn wir eine Stressreaktion wie beispielsweise Schwitzen oder starkes Herzklopfen aufweisen, kann diese Empfindung wiederum zu Selbstzweifeln führen und unsere Selbstwirksamkeitserwartung schmälern.

Anwendung auf den Plan C Konfliktnavigator®

Mithilfe des Konfliktnavigators wird es möglich, komplexe und scheinbar unübersichtliche Situationen oder Konflikte zu strukturieren. Durch diese Struktur gewinnt die Situation an Handhabbarkeit für die betroffene Person. Mit dem Fokus auf die Selbstregulation richten wir die Aufmerksamkeit auf die vielfältigen Möglichkeiten die dazu beitragen, unabhängig von der anderen Konfliktpartei zu innerer Klarheit zu gelangen und die Balance (wieder)herzustellen. Es wird eine konkrete Lösungsstrategie in Form kleiner, autonom umsetzbarer Schritte entwickelt. Durch diese Strategie wird die Selbstwirksamkeit, also die Erfahrung, selbst Einfluss nehmen zu können, gefördert

Die Broaden and Build-Theorie nach Fredrickson

Die Broaden-and-Build-Theorie wurde von der US-amerikanischen Psychologin Barbara Fredrickson entwickelt. Hinter der Broaden-and-Build-Theorie verbirgt sich die Idee, dass unsere Emotionen einen Einfluss auf die Art und Weise haben, wie wir die Umwelt wahrnehmen und wie wir uns verhalten.

Der Zweck der sogenannten negativen Emotionen wie Angst, Ekel oder Wut für das menschliche Überleben, ist hinreichend bekannt. Sie warnen uns in gefährlichen Situationen und veranlassen uns zu Handlungen, um uns zu schützen.

Die Broaden and Build-Theorie betont dagegen die Wirkung und den Nutzen von positiven Emotionen wie Zufriedenheit, Stolz, Zuneigung, Interesse. Positive Emotionen können uns zu Tätigkeiten motivieren, die uns guttun. Das Ausführen dieser Tätigkeiten stärkt wiederum positive Emotionen wie Zufriedenheit oder Stolz. Im besten Fall entsteht so ein positiver, sich selbst verstärkender Kreislauf. Durch diese Aufwärtsspirale erleben wir immer häufiger positive Emotionen und können persönliche Ressourcen aufbauen, auf welche wir auch in schwierigen Situationen zurückgreifen können.

Anwendung auf den Plan C Konfliktnavigator®

Der Konfliktnavigator legt den Fokus auf Selbstregulationsprozesse, durch welche negative Emotionen reguliert und die positiven Emotionen gestärkt werden können. Eine gelungene Selbstregulation wiederum wirkt sich positiv auf eine konstruktive und lösungsorientierte Sachklärung aus: Während negative Emotionen unseren Handlungsspielraum und unsere Gedanken beengen und begrenzen, können positive Emotionen zur Erweiterung unseres verhaltensbezogenen und gedanklichen Repertoires führen. So können ungewöhnliche, neue, kreative Lösungen gefunden werden. Gleichzeitig wirkt sich diese lösungsfokussierte Sachklärung auch wohltuend auf das Beziehungsfeld aus. Durch das Mitteilen und Fördern von Emotionen und der Regulation dieser Emotionen kann Druck und Stress vermindert werden und die Beziehungsqualität gefördert werden.

Die Polyvagaltheorie nach Porges

Stephen Porges, amerikanischer Professor der Psychiatrie, entwickelte die Polyvagaltheorie, welche die bisher bekannten Reaktionsmuster in Stresssituationen um eine weitere Reaktionsmöglichkeit erweitert. Um in bedrohlichen Situationen unser Überleben zu schützen, verfügt unser Körper über verschiedene Verhaltensstrategien. Das vegetative Nervensystem beeinflusst unseren ganzen Körper und lässt sich nicht willentlich beeinflussen, weshalb es auch autonomes Nervensystem genannt wird. Während der Sympathikus für Anspannung sorgt, ist der Parasympathikus für die Entspannung zuständig. Diese Nervensysteme können den verschiedenen Reaktionsmustern in Stresssituationen zugeordnet werden, die evolutionär angelegt sind: Entweder findet eine Immobilisation, also ein Erstarren und „Totstellen“ statt oder es kommt zur „Kampf oder Flucht“-Reaktion, bei welcher Energie bereitgestellt wird. Diese Energie wird entweder für die Flucht aus der bedrohlichen Situation oder zum Kampf genutzt.

Steven Porges ergänzte diese beiden Systeme um ein weiteres System: Das Social Engagement System (kurz SES). Ist das SES aktiv, ist der Mensch in einem Zustand der Gesundheit, Erholung und wird von einem Sicherheitsgefühl begleitet. Es fördert ganz aktiv das Sozialverhalten und somit auch die Kommunikations- und Empathiefähigkeit, durch welche wir unser Überleben sichern können. Durch das SES können wir flexibel und schnell auf unsere Umwelt reagieren und mit anderen Menschen in Kontakt treten.

Nach der Polyvagaltheorie bilden die drei Systeme

  • Immobilisation,
  • Mobilisation (Kampf oder Flucht) und das
  • Social Engagement System

eine Hierarchie. Wenn wir uns sicher und geschützt fühlen, wird das SES aktiviert. Wir treten mit anderen Menschen in Kontakt, teilen uns mit und hören den anderen zu. Fühlen wir uns angegriffen oder bedroht, springt das Kampf oder Flucht-System an.

Dies äußert sich darin, dass wir entweder die Situation verlassen (Flucht)  oder  mit Aggressivität auf andere reagieren. Wir befinden uns im „Kampfmodus“. Ist die Bedrohung oder Verletzung so massiv, dass es uns nicht gelingt, die Situation durch Kämpfen zu lösen oder ihr durch Flüchten zu entkommen, springt das basalste Überlebenssystem, das Totstellen, an. Es kommt zu einer Erstarrung und körperliche und psychische Funktionen werden auf das Nötigste zurückgefahren. Dieses Reaktionsmuster tritt bei massiven Stresssituationen wie beispielsweise Traumatisierungen mit Gewalterfahrungen auf.

Anwendung auf den Plan C Konfliktnavigator®

Das Social Engagement System bilden das wissenschaftliche Fundament für eine der zentralen Annahmen des Konfliktnavigators: Selbstregulation hat Vorrang!

Für eine nachhaltige Konfliktlösungen und eine Win-Win-Haltung brauchen wir das SES aller Beteiligten – da wir in diesem Zustand fähig zur Kommunikation, Empathie und dem Austausch mit anderen sind.

Durch die Selbstregulation, insbesondere durch Reflexion, Selbstempathie und Selbstberuhigung, kann der Zustand des SES aktiviert werden. Kommunikation wird leichter. Empathie und Perspektivwechsel gelingen.

Durch das SES wird es auch möglich, positive Wechselwirkungen zwischen der Selbstregulation und einer gelungenen Beziehungsregulation zu schaffen: Eine Person kann im Zustand des SES sein und dadurch den Zustand der anderen Person verändern. So wird im besten Fall das ganze System beruhigt und in einen konstruktiven Zustand geführt, in welchem nachhaltige Konfliktlösung möglich ist.

Das SES wird durch Blickkontakt, angenehmen Tonfall und eine freundliche Mimik aktiviert.  Und es braucht Sicherheit.

Hier hilft die Vier-Felder-Struktur des Konfliktnavigators, denn Struktur schafft Sicherheit. Und natürlich landen wir auch über diesen Weg wieder bei der Selbstregulation, der Fähigkeit sich selbst zu reflektieren, zu beruhigen und damit das SES und die Fähigkeit zu Empathie und Perspektivwechsel zu aktivieren.

Quellen

Reif, J. A., & Spieß, E. (2020). Klassiker der Organisationsforschung (37). Aaron Antonovsky. ZOE Zeitschrift für OrganisationsEntwicklung, 109-113.
Bandura, A. (2010). Self‐efficacy. The Corsini encyclopedia of psychology, 1-3.
Fredrickson, B. L. (2001). The role of positive emotions in positive psychology: The broaden-and-build theory of positive emotions. American psychologist, 56(3), 218.
Porges, S. W. (2001). The polyvagal theory: phylogenetic substrates of a social nervous system. International journal of psychophysiology, 42(2), 123-146.
Chancen von Konflikten am Arbeitsplatz
CAREERS LOUNGE Buchtipp: Claudia Eilles-Matthiessen – Es muss nicht immer reden sein